Bier von hier: Derf´s no a Halbe sei?

„Derf´s no a Halbe sei?“

Keinen Satz hören wir in der hiesigen Gastronomie lieber. Stuttgart ist eine Stadt mit großer Brautradition und Biergeschichte. Im Alltag geht das oft im heiligen Industrie-Dreiklang „Bosch – Daimler – Porsche“ unter. Dabei haben hier bemerkenswerte Vorgänge auf dem deutschen Biermarkt stattgefunden.

In Stuttgart findet man Biervielfalt in allen Variationen. Neben den beiden großen Brauereien Dinkelacker-Schwaben Bräu und Stuttgarter Hofbräu gibt es noch die Craft-Brauer der Cast-Brauerei, die Hausbrauereien Calwer Eck und Sophies Brauhaus in der Innenstadt, Die Hausbrauerei Wichtel in  Feuerbach sowie die Hausbrauerei Schloßturm im SI-Centrum. Abgerundet wird das bierige Angebot in der Stadt mit den beiden Brauhäusern im Zentrum, dem Brauhaus Schönbuch (in dem man alle Sorten der Schönbuch Braumanufaktur aus Böblingen bekommt) sowie Carls Brauhaus, einer gastronomischen Huldigung an Brauereigründer Carl Dinkelacker. Außerdem huldigt man dem Bier im Frühjahr und im Herbst auf dem Cannstatter Wasen, wenn die großen Volksfeste Millionen nach Stuttgart-Bad Cannstatt locken.  Von der „normalen“ Gastronomie ganz zu schweigen.

Das Bierangebot liest sich also gar nicht schlecht. Was macht Bier in Stuttgart besonders, vielleicht sogar einzigartig? Bier aus Stuttgart hat über die Landesgrenzen hinaus einen besonderen Botschafter: Wulle. Die traditionsreiche und zwischenzeitlich leblose Marke (1861 gegründet), hat einen Siegeszug angetreten, wie vorher aus Baden-Württemberg nur das Rothaus Tannenzäpfle. Mit kleinen aber genialen Marketingschachzügen (und dem guten Rezept) ist Wulle auch in Berlin und Hamburg gern getrunken. Wulle ist Kult. Das strahlt auf Stuttgart ab. Junge Stuttgarter sagen immer zuerst Wulle, wenn sie nach Bier gefragt werden.

Wo wir bereits bei Dinkelacker-Schwaben Bräu sind: 1996 haben sich die beiden großen Brauereien Dinkelacker und Schwaben Bräu zusammengeschlossen. 2004 folgte der große Paukenschlag in Stuttgart. Der Braukonzern InBev übernahm Dinkelacker-Schwaben Bräu. Im selben Jahr sicherte sich der Dr.-Oetker-Konzern via Radeberger Gruppe 49 Prozent Anteile bei Stuttgarter Hofbräu, die 2010 vollständig in Konzernhände übergingen. Anders, erfreulich aber überraschend die Entwicklung bei Dinkelacker. 2007 kaufte Wolfgang Dinkelacker die Brauerei zurück und seither ist Dinkelacker-Schwaben Bräu wieder Privatbrauerei. Ein bemerkenswerter Vorgang, der dem Braustolz in Stuttgart gut getan hat. Aus der Tradition entstehen immer wieder besondere Biersorten. Zum 125-jährigen Jubiläum hat Dinkelacker ein besonderes Jubiläumsbier gebraut. Diese naturtrübe, süffige  Spezialität hat als Kellerbier glücklicherweise dauerhaft den Weg ins Sortiment gefunden. „Bier in Stuttgart“ liebt es.

Stuttgart ist auch deshalb ein besonderer Bierstandort, weil Bier es hier nicht immer leicht hat. Umgeben von Weinbergen, steht Bacchus dem schwäbischen Gast oft näher als Gambrinus. Noch. Denn die Vielfalt nimmt zu und damit das Interesse. Biersommeliers aus der Region wie Irina Zimmermann oder Werner Dinkelaker machen mit ihren Verkostungen Lust auf mehr Biererlebnisse in Stuttgart. Sie sorgen dafür, dass Biertrinker nicht bei Pils und Weizen stehenbleiben, sondern die Liebe zum Probieren entdecken.

Stichwort Probieren: Craft-Brauer Daniel Bleicher ergänzt die Stuttgarter Biervielfalt mit exotischen Biersorten aus seiner Cast-Brauerei. Dass diese gut ankommen, sieht man allein daran, dass frisch abgefüllte Sude binnen kurzer Zeit ausverkauft sind. „Bier in Stuttgart“ liebt vor allem das Pale Ale (California Style), das  besonders fruchtig ist. Seine Biere bekommt man ab Brauerei oder beispielsweise im Maulwurf in Stuttgart-Vaihingen.

Da Pils mit rund 35 Prozent Marktanteil nach wie vor der Deutschen liebste Sorte ist, spielt es natürlich in Stuttgart ebenso eine große Rolle. Herauszuheben wäre hier das Herren-Pils von Stuttgarter Hofbräu, das mit seiner besonders frischen Hopfenbittere viele Liebhaber hat. Auch wenn Hofbräu aus Tradition nach wie vor viele Fans in der Stadt hat: Schöner wäre es für die Stuttgarter Bierfreunde, die Brauerei wäre wie Dinkelacker unabhängig.

Was alle Brauer in Stuttgart vereint, ist das gute kulinarische Angebot zum Gerstensaft. Egal ob in den Brauereigaststätten, den Hausbrauereien oder den Brauhäusern der Stadt: Überall isst man gut bis sehr gut. Was kann es schöneres geben, als ein gutes Bier zu einem guten Essen?  Oder auch zwei.

„Derf´s no a Halbe sei?“

4 Gedanken zu “Bier von hier: Derf´s no a Halbe sei?

  1. Muss mich unbedingt mal bei meinen Stuttgarter Freunden einnisten um die ganzen tollen Tips auszuprobieren. Macht Lust auf mehr. Weiter so.

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